Queer-Springer SSV

Schachsportverein
für Schwule & Lesben

OQT 2010 - Blog

Donnerstag, 8. April 2010

Ohne Plan kein Partiegewinn

von WanjaK • 06:50 • 5. Runde

Diese Sätze hören wir immer wieder. Aber wie entwickle ich z. B. in so einer Stellung einen "strategischen" Plan?



Sollte man hier vielleicht anfangen, die Bauern am Damenflügel vorzuziehen? Oder gehen die irgendwann verloren?

Wäre dieses Vorziehen ein "Majoritätenangriff" bzw. "Minoritätenangriff"? Vielleicht könnten ja Holger und Axel zu dem Thema mal eine Trainingseinheit durchführen.

Im weiteren Partieverlauf fiel mir jedenfalls nichts weiter ein, als mit Dc4+ Df7 die Damen zu tauschen und nach Sc5, Sb7, Sd8+ alles in ein Turmendspiel abzuwickeln, das ich dann aber verlor.
Kann man eine solche Niederlage bei der Bauernaufstellung überhaupt verhindern? Vielleicht stehen die schwarzen Zentralbauern auch einfach zu gut.

MarcR, 08.04.2010 09:30

Hi Wanja,
bevor die Experten kommen, kann ich ja mal übungsweise meine Gedanken schweifen lassen.

Ich würde sagen, die Stellung ist vollkommen ausgeglichen.
Schwarz hat kleinen Raumvorteil, bzw. ein kleines Übergewicht im Zentrum, kann damit aber nicht mehr viel Schaden anrichten, weil die Leichtfiguren fast alle verschwunden sind.
Dafür hast Du als langfristigen Vorteil die Bauernmehrheit am Damenflügel. Vorteil deshalb, weil ein Freibauer, der dort entsteht, weiter vom König weg ist als ein Freibauer am Königsflügel.

Es droht nichts, es gibt keine schwachen Felder, also würde ich hier ganz ruhig meine Figurenaufstellung verstärken. Turmverdopplung wäre eine Idee.

Noch etwas anderes fällt mir auf:
Schwarz kann f6-f5 und anschließend e5-e4 spielen und dann gibt es ein Vorpostenfeld auf d3. Deswegen gefällt mir Dc4+ eigentlich ganz gut, damit der schwarze Bauernvorstoß nicht mit Tempo kommt. Also Dc4, evtl. Damen tauschen und dann weiter mit Td2, Tad1. Danach den König aktivieren und dann versuchen, am Damenflügel vorwärtszukommen.

, 08.04.2010 10:11

Hi Wanja, ich würde die Stellung ehrlich gesagt lieber mit Weiß spielen, da die Königstellung von Schwarz schlechter ist als die von Weiß. Weiß kann nach und nach versuchen, seine Damenflügelmehrheit zu verwerten, während Schwarz das nicht nachmachen kann am Königsflügel, da der König zu sehr entblößt würde. Es ist deshalb auch wichtig, dass die Damen auf dem Brett bleiben, ein Damentausch nützt nur Schwarz.
Mir gefällt De3 ziemlich gut, denn ich halte z.B. f5 eher für eine Lockerung der schwarzen Stellung, der Springer kann bei Gelegenheit über c5 bessergestellt werden und die Dame wirft ein Auge auf das Feld h6.

HolgerF, 08.04.2010 11:31

Und ich hätte in der Tendenz lieber Schwarz, obwohl die Stellung wahrscheinlich noch halbwegs ausgeglichen ist.

Vielleicht ist taktisch etwas möglich mit De3 und schnellem Dc5, mit der Idee, die schwarze Ordnung zu stören. Danach würde ich noch mal sehen. Aber sonst:

Die Damenflügelmehrheit ist zwar ein Vorteil, aber der ist eher theoretischer Natur. Er wird praktisch, wenn ein häufiger Fall eintritt, nämlich der, dass es leichter fällt, am Damenflügel die Bauern voran zu treiben. Davon ist hier aber nicht zu sprechen: Einen Vergleich müsste man anstellen mit z.B. einigen Französisch-Stellungen, in denen ein weißer Bauer auf c4 steht und oft ein weißer Springer auf e5, während die schwarzen Bauern noch auf f7 und e6 festgelegt sind. Hat Weiß dann Druck gegen die schwarze Stellung, kommt Schwarz mit seiner Mehrheit nicht in Gang. Hier ist das anders - er ist schon in Gang gekommen und hat dadurch schon einigen Raum und einigen Zentrumseinfluss hinzu gewonnen. Ich sehe auch nicht, dass Schwarz sich gleichsam ans Messer liefert, indem er seine Bauern nach vorn bringt. Er steht ja sehr zentralisiert, müsste also schon einiges falsch machen, damit die weißen Figuren seinen König zu fassen bekommen.

Kurz: Du bist, wenn dir nicht was ganz Schlaues Taktisches einfällt, sogar verpflichtet, deine Mehrheit in die Gänge zu bekommen. Die Dame würde ich einstweilen auch behalten wollen, weil sonst der schwarze Vorteil deutlich wird (Raum, Zentralisierung - der König kann dann kommen!).

HolgerF, 08.04.2010 11:32

Und: Ja, sehr gern. Wir können sehr bald ein Training zum Thema Damenflügelmehrheit machen! Ich werde passende Partien finden ... (eine auch deiner Partie sehr ähnlich, mit Aljechin als Schwarzem ...)

WanjaK, 08.04.2010 15:00

Super, erst mal danke für die vielen Infos. Ich bin ja echt erstaunt, was man alles so beachten muss im Schach. Ich werde mich heute gar nicht mehr trauen, so schnell eine Figur anzufassen ;-)

Den weiteren Partieverlauf habt ihr sehr gut skizziert: Die schwarzen Bauern f4 und e3 waren nach dem Abtausch aller Figuren viel gefährlicher als die weißen Damenbauern b4 und c5.

Marc: Über die Turmverdopplung habe ich auch nachgedacht, aber Td2 tauscht er einfach ab, er hat ja schon den Td1 abgetauscht. Ok, wir sehen uns nachher.