Queer-Springer SSV

Schachsportverein
für Schwule & Lesben

Klassenturniere 2010 - Blog

Mittwoch, 12. Mai 2010

Der Himmel schickt ein Matt

von MarcR • 13:44 • 3. Runde

Gibt es Glück im Schach? Manche sagen "Nein!", weil die Figuren auf dem Brett ja nie zufällig da stehen wo sie stehen. Aber wenn man nur die Hälfte von dem versteht, was vor sich geht, und trotzdem alles richtig macht, ist da vielleicht doch auch ein bisschen Glück im Spiel.

Mein Gegner war Rahmi Yilmaz, ein sympathischer Spieler, den ich schon beim OQT kennengelernt hatte (siehe OQT-Blog, 7. Runde).
Am Anfang der Partie spielte ich zu sehr rum. Ich (mit Weiß) wollte einen Springer nach d6 pflanzen, was auch funktionierte. Aber mein noch in der Mitte stehender König ließ dann Schwarz schnell ans Ruder kommen und ich musste alles wieder zurückziehen. Ich stand gehörig unter Druck und Feuer von allen Seiten, aber immerhin konnte ich es einigermaßen unbeschadet überstehen.


Hier hatte ich gerade meinen König in (relative) Sicherheit gebracht:
20. 0-0-0, a6
war der letzte Zug.
Das verfrühte Figurengeplänkel hatte mich letztlich nur einen Bauern gekostet, für den ich aber.... naja, was eigentlich hab? Die harmonischere Figurenstellung vielleicht! Vishy würde dafür sicher auch einen Bauern geben. :-)
Ich hatte wirklich keine Sorge um den Bauern, und da Rahmi, nachdem ich endlich doch rochieren konnte, das lasche 20. ..., a6? gezogen hatte, konnte ich jetzt eine Figur gewinnen:
21. Dxe4
worauf er
21. ..., Lxc3
antwortete.


Was sollte ich hier jetzt tun? Ich hatte da so Ideen mit Sh6 und Ld4 dem König zuzusetzen, aber der schwarze Läufer auf der Diagonalen verhindert das. Also muss der Läufer weg (was wollte er da überhaupt? Die Frage hatte ich leider vergessen, mir zu stellen,). Die Königsstellung wird dadurch ein bisschen luftig, aber seine ist es ja auch schon.
22. bxc3???!!!, Da3+
23. Kb1
So, das war's schon mit seinen Schachs. Es folgte
23. ..., dxe4


Toll! Ich hab die Dame eingestellt!
Ich war natürlich schockiert, aber nur kurz, denn ich hatte kaum noch Bedenkzeit.
Nach dem Schock sammelte ich mich und stellte fest, dass ich doch immerhin schon zwei Leichtfiguren für die Dame hab und auf d7 hängt eine dritte. Das kann man noch weiterspielen!
Und dann überlegte ich nochmal kurz, warum ich eigentlich bxc3 gespielt hatte. Ich wollte doch den König belästigen. Und wenn man vor Txd7 erst
24. Sh6+
spielt?


Jetzt saßen Rahmi und ich, bei laufender Bedenkzeit, eine ganze Weile fassungslos vor dem Brett und versuchten, zu verstehen, was hier gerade vor sich ging. Er ließ seine Zeit bis auf 5 Minuten runterlaufen, machte dann noch ein paar Züge, musste dann aber einsehen, dass Schwarz unweigerlich matt wird: 24. ..., Kh8 25. Ld4+ oder 24. ..., Kg7 25. Txd7 mit jeweils game over in wenigen Zügen.
Unfassbar! Das war mein erstes Damenopfer in einer Turnierpartie, und ich hab es nicht gemerkt!

War das jetzt Glück? Oder Intuition? Oder hab ich in Wirklichkeit doch alles ganz solide berechnet?

Jedenfalls hab ich jetzt 3 aus 3, habe aber auch erst gegen die letzten drei der Rangliste gespielt. Nächste Woche gibt es zwei Partien und die gegen die Ranglisten-Ersten und -Zweiten. Wenn ich es schaffe, aus den beiden Partien einen Punkt zu entführen, könnte es vielleicht sogar mit dem Aufstieg klappen. Wenn der Himmel nochmal hilft. :-)

BeateK, 12.05.2010 13:55

Cool! :-D Eines Queer-SPRINGERS würdig.

WolfgangB, 12.05.2010 15:25

Bravo Marc... ganz im Stil von Nakamura!!

WanjaK, 13.05.2010 13:24

Also war es ein echtes Spielmann-Opfer. Eine schöne Schlussstellung, gefällt mir. Weiter so, Marc!

"Echte Opfer" sind nur diejenigen, die nicht bis zum Ende durchkalkuliert werden können, sondern im wesentlichen auf Intuition beruhen." Zitat Rudolf Spielmann