Alles oder nichts!
von MarcR • 09:50 • 5. Runde
Gestern also die 5. Runde, jetzt wieder mit Weiß, gegen Robert von Jutrzenka, dem Zweiten der Rangliste. Nach der Niederlage vom Dienstag musste ich diesmal punkten, wenn ich mir noch Hoffnungen auf den Aufstieg machen wollte. (Den Klassenerhalt hab ich übrigens schon sicher; im Vergleich zur Qualifikation war das ein Kinderspiel.)
Es fing gut an, denn offensichtlich erwischte ich meinen Gegner mit meiner Eröffnungsvariante völlig auf dem falschen Fuß.
Zum ersten Mal ins Nachdenken geriet ich hier, aber nicht wegen dem Zug:
Es waren 6 Züge gespielt, Robert hatte schon 30 Minuten Bedenkzeit verbraucht, ich ungefähr 2, und es war gerade Da5+ gekommen, verbunden mit einem Remisangebot!
Dass ich 7. Ld2 spielen muss, war klar; aber über das Remisangebot musste ich 10 Minuten nachdenken. Ich wäre durchaus gerne früher nach Hause gegangen, auf dem Brett droht jetzt eine Verschärfung des Spiels, und ein Gambit kann man gegen einen stärkeren Spieler auch schon mal verlieren. Mir wurde aber gottseidank irgendwann noch klar, dass mir ein halber Punkt ja gar nicht reichte, wenn ich wirklich noch um den Aufstieg weiterspielen wollte. Also hieß es "Alles oder nichts" und "Weiterspielen!"
Und nun dachte Schwarz noch einmal lange nach und zog schließlich widerwillig die Dame nach d8 zurück. Ein ganzes Juragebirge fiel mir vom Herzen. Denn jetzt hatte ich nicht nur Zeit auf der Uhr, sondern auch auf dem Schachbrett gewonnen und kam entsprechend mit der besseren Stellung ins Mittelspiel.
Hier war es an der Zeit, sich für einen Plan zu entscheiden. Wenn ich hier rochiere, spielt Schwarz Lg7 oder Sa6, rochiert und macht das Zentrum auf (im Nachhinein: Denkfehler! Mit meinem Entwicklungsvorsprung muss ich eine Öffnung des Spiels doch gar nicht fürchten!) und dann steh ich am Königsflügel vielleicht gar nicht so sicher!? Also entschied ich mich für 12. g4?!, was natürlich erst recht mit einem Gegenschlag im Zentrum beantwortet wurde, was Schwarz im Spiel hielt.
Die Stellung vereinfachte sich, wurde aber nicht leichter zu spielen, im Gegenteil. Die zwei schwarzen Springer waren extrem lästig und drohten ständig mit überraschenden Schachs und Gabeln, was mich auch immer mehr Bedenkzeit kostete. Ein Beispiel nach dem 20. Zug von Schwarz:
Was droht hier wirklich und was soll Weiß spielen?
Ich nahm mir die Zeit, die ich hatte; mein Vorsprung schmolz dahin, aber dafür machte ich auch keinen schlimmen Fehler und hielt meine Stellung spielbar.
Während Robert schon ab dem 20. Zug blitzen musste, kam ich erst um den 25. in die Zeitnotphase und so wurde es schließlich ein kleines Glücksspiel um den letzten entscheidenden Fehler. Und den machte dann Schwarz im 35. Zug:
Der Computer sagt, dass Weiß hier klar auf Gewinn steht, und wenn man Zeit hat, sich alles anzugucken, sieht man das vielleicht auch. Aber wenn die Sekunden ticken und zwei gegnerische Springer und verbundene Freibauern (wo kamen die her??) auf dem Brett stehen, ist einem das nicht so klar.
Hier kam nun aber 35. ..., b5? und nach 36. Lxe4+, Sxe4 37. Txe4 habe ich nicht nur einen Bauern mehr, sondern es droht auch verheerend Te8+. Es kam noch 37. ..., Sf6 38. Te6:-) und Schwarz strich die Segel. Und das übrigens (zumindest äußerlich) gelassen und ohne Groll. Während man beim OQT auch mal dem ein oder anderen seltsamen Zoobewohner begegnet, sind bei diesem Turnier alle Teilnehmer durchaus sympathisch und sehr fair und es macht Spaß, in der harmonischen Atmosphäre in Kreuzberg zu spielen.
So, das war also die "Woche der Wahrheit", aus der ich einen Punkt holen wollte, was mir gelungen ist. Mit 4 Punkten aus 5 Spielen stehe ich überraschend gut da, und wenn ich mich bei den restlichen 3 Partien nicht allzu blöd anstelle, sollte der Aufstieg in die B-Klasse möglich sein. Dienstag wissen wir mehr.