Queer-Springer SSV

Schachsportverein
für Schwule & Lesben

Turniertagebuch: Eckbauer 2009

2. Runde - 21.09.2009

Zuerst der Nachtrag: die kleine Unpässlichkeit in der vergangenen Woche war eine Angina im Anzuge, wie wir Schachspieler zu sagen pflegen. Sie wurde mit taktischen Einschlägen (Antibiotikum) wirkungsvoll bekämpft.
Auch Sonjas Zahnmalaise war überstanden und so fanden wir uns heute fit wie 3 Turnschuhe wieder am Spielort ein - so fit sogar, dass wir alle drei mit Fahrrädern anreisen mussten, um uns abzureagieren. Meine Anfahrt führte mich am idyllischen Landwehrkanal entlang - leider hatte ich unterwegs zwei Todesopfer zu beklagen. Beinahe. Liebe Mit-Radfahrer, wenn Ihr Euch schon an keine Regeln haltet, dann macht doch wenigstens Eure Augen auf!!

Viel zu früh kam ich an und nutzte die halbe Stunde um ein wenig im Schlosspark auszulaufen und zu flanieren und war entsetzt, dass mir dieser Park in seiner Riesigkeit in den 17 Jahren, die ich jetzt in Berlin wohne, komplett entgangen ist! Das muss anders werden!


Ein Garten zum Verlieben

Um 19 Uhr wurde angepfiffen.
Wir spielten alle drei mit Weiß; ich war der einzige DWZ-Favorit, während Sonja und Wanja es mit stärkeren Spielern zu tun hatten.

Mein Gegner Bernd S. war mir bisher gänzlich unbekannt. Meine Recherche ließ mich eine Eröffnung à la Française vermuten, worauf ich mich gewissenhaft vorbereitete, jedoch es war alles pour la chatte! Der Gute ging mich skandinavisch an, und als langjähriger leidgeprüfter Skandinavisch-Spieler weiß ich natürlich, a) dass man das nicht spielen kann und b) wo es Schwarz richtig weh tut.
Nach 12 Zügen bot sich dieses Bild:

Man soll sich nicht selbst loben; aber nachdem ich in diesem Jahr fast nur Sch*** zusammengespielt hab und darüber auch ausgiebig gejammert hab und mein Rücken heute noch unschöne Narben trägt, tu ich es doch: Ja, ich habe heute großartig gespielt! Natürlich hat mein Gegner es auch zugelassen. Ich gewann erst einen Bauern, dann eine Figur, dann noch einen Bauern und verlor zu keinem Zeitpunkt den Überblick.
Herr S. versuchte am Ende noch ein bisschen zu schummeln und provozierte einen hübschen Schluss.


Weiß am Zug.
Jetzt nur nichts falsch machen!

Es riecht nach Königsjagd; aber nach z.Bsp. 34. Tg8+, Kc7 35. De7+, Kb6 36. Dd8+, Ka6 oder so, hatte ich Angst, dass am Ende mein König plötzlich im Mattnetz zappelt.
Wie einst Konrad A. wagte ich lieber keine Experimente und fand die hübsche Wendung 34. De8+, Kc7 35. Sd5+, cxd5 36 Df7+ mit Matt oder Damengewinn.
Mein Gegner gratulierte, lobte mich für mein Spiel (ein echter Sportsmann!) und ich konnte mich den beiden noch hoch konzentriert spielenden Mitstreitern zuwenden.

Bei Sonja war alles im Lot. Unter dem Mikroskop sah ich Spuren von schwarzen Vorteilen in einem Endspiel mit Läufer gegen Springer und der besseren Bauernstellung. Ich war fest davon überzeugt, dass es Remis würde.

Sie zogen eine ganze Weile zäh hin und her; Sonja raunte mir im Vorübergehen zu, dass sie gewinnen wolle, was ich für keine gute Idee hielt, aber ich durfte ja nichts sagen und hab auch sowieso keine Ahnung.
Und dann passierte es:


Schwarz am Zug

Ich traute meinen Augen nicht; die Unerschrocken-Besonnene konnte tatsächlich einen Bauern gewinnen! Einen Moment lang war ich beeindruckt. Aber dann zog ihr Gegner 1. ..., Kd6!
Jetzt sah ich das Malheur und konnte nur hoffen, dass Sonja es auch sieht und umhimmelswillen den Bauern nicht nimmt. Vergeblich. :-(
2. Sxh5, Ke6 3. Sg7, Kf7 - oh hai!


Der stolze Springer -
umzingelt von einem König!

Überlassen wir hier die liebe Sonja ihrem Schmerz (Sonja, es sind ja noch 5 Runden!) und schauen, was an Wanjas Brett los ist:

Doppelbauer, Minusbauer, aber Turmendspiele sind ja immer remis, oder?
Es war klar, dass der DWZ-stärkere Spieler (Schwarz) hier nicht vorzeitig locker lassen würde, und so betrachtete ich die Partie von draußen und plauderte mit einem überaus netten jungen Mann, gegen den ich gestern bei den Kreuzberger festlichen Tagen gespielt hatte und der zufällig auch Sonjas Gegner aus der ersten Runde war.

Wanja kämpfte weiter. Es wurden die Damenflügelbauern abgetauscht, was für unseren Helden aus der 1. Runde ein guter Schritt zum Remis war, der Tausch eines Turmpaares war ein weiterer. Schwarz rückte am Königsflügel vor, ein weiteres Bauernpaar wurde getauscht, Wanja betrieb Festungsbau und gab ab und an ein kleines Turm-Störfeuer ab, so dass Schwarz nichts Sinnvolles mehr einfiel und er schließlich - nach ca. 4 1/2 Stunden - ins Remis einwilligte. Sauber, Wanja! Ein zähes Endspiel, das bestenfalls Remis werden kann, so präzise durchzuspielen, ist eine undankbare Aufgabe. Finde ich jedenfalls. Wanja fand das ganze sehr interessant. Der Mann muss verrückt sein! ;-)

[MarcR]

>>Die 3. Runde