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Queerspringer-News

  Nachruf auf meinen Freund Wilhelm (15.07.1958 – 25.08.2010)

geschrieben von HolgerF am 29.08.2010

Ich lernte Wilhelm Schlemermeyer 1997 kennen, als er erstmals zu den Schachfreunden Neukölln kam. Er war nicht der FM oder der neue Bundesligaspieler, sondern einfach Wilhelm. Wie typisch das für ihn war, erfuhr ich in den folgenden Jahren: Nie machte er ein Aufhebens um seine (hohe) Qualifikation, nie drängte er seine Person in den Vordergrund. Dieser Charakterzug, gepaart mit Freundlichkeit gegenüber jedermann, machte ihn allseits beliebt. Er bereitete ihm aber auch Schwierigkeiten: So hatte Wilhelm oft Probleme damit, für seine akribische Arbeit ein angemessenes Honorar auszuhandeln, selbst wenn sich der Partner das durchaus leisten konnte. Nicht, dass Wilhelm je nach Reichtum gestrebt hätte, nein. Aber bisweilen fehlte ihm dadurch am Nötigsten.

Wilhelm sammelte Unmengen an Wissen in seinem Kopf, der davon überzuquellen schien wie seine Wohnung von (gelesenen!) Büchern. So klug und belesen er war, so sehr machten ihm oft die schnöden alltäglichen Dinge zu schaffen. Denn der Wille, sich gegen andere durchzusetzen, schien seinem Wesen beinahe gänzlich fremd zu sein. (Nur in Diskussionen konnte er energisch werden; meines Wissens kämpfte er dann aber immer für ideelle Dinge, nie um materielle.) Und manch eine notwendige Verrichtung schien einfach kaum möglich zu sein, und sei es ein Arztbesuch.

Ich wünschte, ich wäre noch öfter einfach zu ihm gefahren, hätte ihn noch mehr gedrängt, die „Nebensächlichkeiten“ zu erledigen. Ich wünschte auch, er selbst hätte häufiger um Hilfe gerufen ... und an seinem letzten Tag früher.

Da ich aber leider einen solchen Wunsch nicht frei habe, werde ich das in dankbarer Erinnerung behalten, was mir den Menschen Wilhelm so nahe brachte: die vielen Aha-Erlebnisse, die er mir verschaffte, das stete Hinterfragen und Durchdenken allen Geschehens, die Herzlichkeit und Güte, selbst in der Kritik, und die schelmische Ader, die er sich immer bewahrte.

Wilhelm, die Lücke ist nicht zu schließen!

Holger Franke